Medikamentöse Behandlung der ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) im Erwachsenenalter in Deutschland
Hintergrund: Bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) handelt es sich um eine psychische Störung. Die betroffenen Personen sind in der Regel überaktiv, unachtsam und leichtfertig. Diese Erkrankung beginnt immer im Kindesalter, kann aber bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Sie wirkt sich für die Betroffenen in nahezu allen Lebensbereichen aus. Die Lebensqualität ist häufig infolge der typischen Symptome und der hohen Rate an Begleiterkrankungen eingeschränkt. Eine bewährte Form der Therapie ist die Behandlung mit anregend wirkenden Arzneimitteln. In erster Linie wird der Wirkstoff Methylphenidat eingesetzt. Er ist für die Behandlung der ADHS im Erwachsenenalter in Deutschland nicht zugelassen. Das führt dazu, dass viele betroffene Erwachsene keine entsprechende Medikation erhalten.
Forschungsfrage: In dem vorliegenden Bericht (Health Technology Assessment [HTA]) werden die gewünschte Wirkung (Effektivität), die Wirkung in Zusammenhang mit den Kosten (Kosten-Effektivität) sowie ethische, soziale und rechtliche Gesichtspunkte bei der medikamentösen Behandlung von Erwachsenen mit einer ADHS betrachtet.
Methodik: In wissenschaftlichen Datenbanken wird im August 2009 eine systematische Literatursuche durchgeführt. Gefundene Literaturstellen müssen vorab definierten Kriterien entsprechen. Die Daten der Literaturstellen werden gezielt herausgesucht, bewertet und zusammenfassend beurteilt. Ergänzend wird eine Handsuche durchgeführt.
Ergebnisse: Insgesamt erfüllen 19 Studien, davon neun kontrollierte Studien, mit zufälliger Verteilung der Versuchspersonen bezüglich der Behandlung, fünf Metaanalysen (Untersuchung von zusammengefassten Einzelstudien), drei Studien zu wirtschaftlichen und zwei zu rechtlichen Gesichtspunkten die vorgegebenen Einschlusskriterien. Alle bewerteten randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) zeigen, dass unter medikamentöser Behandlung vor allem mit Arzneimitteln mit anregender Wirkung (Methylphenidat und Amphetaminen) und Atomoxetin eine Verbesserung der ADHS-Symptome bei Erwachsenen im Vergleich zu einer Placebobehandlung auftritt. Die Ansprechraten belaufen sich in den Kontrollgruppen zwischen 7 % und 42 %, in den Behandlungsgruppen zwischen 17 % und 59,6 %. In den Metaanalysen werden die Ergebnisse aus den RCT bestätigt. Insgesamt lassen sich für Patienten mit ADHS hohe jährliche direkte (z. B. für Medikamente) und indirekte (z. B. für Verdienstausfall) Kosten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe feststellen. Die durchschnittlichen Medikamentenkosten für Erwachsene mit ADHS betragen zwischen 1.262 US-Dollar im Jahr 1998 und 1.673 US-Dollar im Jahr 2001 (Währung und Inflation berücksichtigt: für 2009 zwischen 1.270 und 1.619 Euro). Im Zusammenhang mit der Einnahme von Arzneimitteln mit stimulierender Wirkung können Betroffene in den Bereichen Straßenverkehr, Reisen und Sport eingeschränkt sein. Für ethische und soziale sowie für rechtliche Aspekte in Bezug zur medikamentösen Therapie bei Erwachsenen mit einer ADHS werden keine entsprechenden Studien gefunden.
Diskussion / Schlussfolgerung: Insbesondere bei Methylphenidat und Atomoxetin sind positive Effekte der medikamentösen Therapie nachweisbar. Dabei muss eine Dosiseinstellung abgestimmt auf die jeweilige betroffene Person erfolgen, um ein optimales Ansprechen der Medikamente zu erreichen. Medikamentöse Behandlung der ADHS im Erwachsenenalter in Deutschland DAHTA 2 von 240 Um genauere Aussagen über die Kosten-Wirkung der medikamentösen Therapie bei Erwachsenen mit einer ADHS zu treffen, sind weitere gesundheitsökonomische Studien erforderlich. Abgesehen vom zweifelsfrei psychiatrischen Krankheitsbild wird allein schon aus gesundheitsökonomischen Gründen empfohlen, die Voraussetzungen für eine angemessene Versorgung mit diesen Medikamenten auch für Erwachsene zu schaffen.
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Medical treatment of ADHD in adults in Germany
Background: Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) is a mental disorder. Symptoms include hyperactivity, lack of attentiveness, and frivolousness. This disorder always begins in childhood, but can remain through adulthood. ADHD affects all areas of life and limits the quality of life due to its symptoms and the high rate of associated disorders that can develop. An established form of therapy is using stimulant medications, most commonly, containing Methylphenidate as the active ingredient. However, in Germany this ingredient is not approved for adults suffering from ADHD. Therefore, many adults cannot obtain appropriate medication to treat this disorder.
Objective: The following report (Health Technology Assessment [HTA]) examines the effectiveness and costeffectiveness of the medical treatment of ADHD in adults as well as the ethical, social and legal aspects thereof.
Methods: In August 2009, a systematic literature search is performed in all relevant scientific databases. The selected citations fulfill predetermined inclusion criteria. The data in the publications is then systematically extracted, reviewed and assessed. A manual search of citations is conducted as well.
Results: Nineteen studies fulfill the inclusion criteria: nine randomised controlled studies (RCT), five metaanalyses, three economic studies and two studies relevant to the legal aspects of the HTA. All RCT reveal that adult patients who receive medication containing a stimulant (Methylphenidate and Amphetamine) and Atomoxetine, see a reduction of ADHD symptoms compared to the placebotreated patients. The drug response rate among the control group ranges from 7 to 42 %; in the treatment group from 17 to 59.6 %. The meta-analyses confirm the findings of the RCT. In light of the control group, it can be ascertained that there are higher annual costs (both direct and indirect) for patients with ADHD. The average annual medical expenses for an adult with ADHD were 1,262 $ in 1998 and 1,673 $ in 2001 (the converted and inflation-adjusted rate for 2009: between 1,270 and 1,619 Euro). The use of stimulants use may impair the patient’s ability to drive, travel or do sports. No relevant studies can be identified concerning the ethical, social and/or legal aspects of stimulant medication for ADHD patients.
Discussion / Conclusion: Medical treatment, particularly including Methylphenidate and Atomoxetine, proves to have a positive effect. In order to attain an optimal drug response, dosing must be determined on an individual basis. There is a need of high-quality studies that directly compare various agents – an aspect which is relevant to medical effectiveness of a therapy. No definite statement can be made about the costeffectiveness of the medical treatment of ADHD in adults. More health economic studies are therefore required. Apart from the unquestionable mental indication, it is already recommended by health economic reasons to establish the conditions for an adequate treatment with these medicaments also for adults.
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Typ: | Sonstiges |
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Autor: | D. Benkert, K.-H. Krause, J. Wasem & P. Aidelsburger |
Quelle: | http://nbn-resolving.org/redirect/urn:nbn:de:0183-hta000091L0 |
Jahr: | 2010 |
Keywords (deutsch): | ADHS, Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperaktivität-Störung, Arzneimitteltherapie, Methylphenidat, Stimulanzien (historische), Behandlungsergebnis, Kosten und Kostenanalyse, Antidepressiva, Amphetamin, Bupoprion, minimale cerebrale Dysfunktion, Pharmakotherapie, Gesundheitsökonomie, Health Technology Assessment |
Keywords (englisch): | Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder, Adult ADHD, Medical treatment, Germany, Health Technology Assessment, Methylphenidate, Atomoxetine |
DOI: | --- |